Peter Bichsel: Die Idee Gott

Peter Bichsel: Die Idee Gott

Lesen Sie hier einen Auszug aus einem TV-Interview aus dem Jahr 1993. Der Schriftsteller Peter Bichsel spricht eine dreiviertel Stunde über sein Leben … das Leben und einfach persönlich-menschliche Erfahrungen. Sehr interessant …

Ist diese Welt gemeint?

„Die Frage heißt eigentlich ob diese Welt gemeint ist, oder ob Sie nicht gemeint ist. Wenn Sie gemeint ist, hat Sie einen Sinn. Wenn sie nicht gemeint ist, ist sie zufällig. Ich weiß nicht ob sie gemeint ist. Es interessiert mich nicht, ob es einen Gott gibt. Ob es einen Schöpfer gibt. In Wirklichkeit. Also in der Realität. Aber ich brauche einen. Ich könnte nicht leben auf dieser Welt … wenn ich nicht den Verdacht hätte, sie könnte gemeint sein. Dazu gehört … es könnte gemeint sein, dass ich mich relativ anständig aufführe. Es könnte gemeint sein, dass ich freundlich bin … freundlich zu sein habe. Wenn sie gemeint ist. Und wenn der Mensch gemeint ist. Wenn irgendjemand oder irgendetwas „Menschen wollte“ … dann hab ich den Eindruck der Mensch ist noch so unentwickelt … in seinem sozialen Verhalten … in seinem Denken. In seinem Willen, die Welt zu erhalten ist er noch so unterentwickelt … . Wenn sie gemeint war, dann bin ich überzeugt davon, dass sie noch einige hundert … tausend Jahre dauern wird. Vielleicht hat aber das, was wir „unsere Welt“ nennen, vorerst unterzugehen. Das ist weder Pessimismus … noch Fatalismus. Das kann durchaus optimistisch sein.

Ich brauch da so etwas … das mir ab und zu auf die Schulter klopft und sagt … he, pass auf. He, das hast Du jetzt gut gemacht, das war jetzt schön. Dass Du dieser Frau über die Straße geholfen hast. Ich brauch etwas in mir drin, das mich lobt. Ob das dann ein Gott ist. Oder wie man das bezeichnen soll. Das ist dann eine andere Sache. Und … ich glaube ich würde sofort jede religiöse Vorstellung aufgeben … wenn mir jemand schlüssig beweisen könnte, dass es einen Gott gibt. Ich glaube nämlich nur an ihn, wenn es ihn nicht gibt. Wenn es ihn geben würde dann könnte ich immer noch sagen er gefällt mir, er gefällt mir nicht. Ich mach da mit, ich mach da nicht mit … vielleicht hab ich ihn erfunden, vielleicht haben wir uns den erfunden … aber Erfindungen sind auch etwas … Erfindungen existieren … auch wenn sie nicht real sind.

Die Idee Gott
Die Existenz eines Gottes interessiert mich nicht. Aber die Existenz des Gedankens Gott … der Idee Gott … die interessiert mich sehr. Für diese Idee kämpfe ich gern. Wäre er nämlich existent … und ich könnte … man könnte Gott beweisen … dann könnte ich ja sagen ich weiß, dass es einen Gott gibt aber ich glaube nicht an ihn. Es ist mir lieber zu sagen „ich weiß nicht ob es einen Gott gibt … aber ich glaube an ihn.“

Quelle: youtube.de

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